Diabetes-Medikamente bei Typ-2-Diabetes
Menschen mit Diabetes stehen zur Behandlung verschiedene Medikamente zur Verfügung. Während bei Patient*innen mit Typ-1-Diabetes immer der Wirkstoff Insulin zum Einsatz kommt, können Menschen mit Typ-2-Diabetes verschiedene Medikamente zur Therapie heranziehen. Erst wenn sie ihren Blutzucker durch Tabletten und GLP 1/-GIP-Agonisten nicht mehr ausreichend in den Griff bekommen, benötigen sie Insulin. Aber auch die Art und Weise der Insulintherapie bei Typ-2-Diabetes unterscheidet sich häufig von der bei Typ-1-Diabetes.
Die folgende Übersicht zeigt, welche oralen Antidiabetika, weitere Medikamente, die gespritzt werden, und Insulintherapien es zur Behandlung des Typ-2-Diabetes gibt, wie sie wirken und welche Nebenwirkungen möglich sind.
- Orale Antidiabetika
- Weitere Medikamente, die gespritzt werden (GLP1-/GIP-Agonisten)
- Insulin bei Typ-2-Diabetes
1. Orale Antidiabetika
Orale Antidiabetika (OADs) sind Medikamente in Tablettenform, die den Blutzucker regulieren sollen. Sie werden vor allem bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt. Bei Typ-1-Diabetes kann Metformin im Einzelfall in Ergänzung zur Insulintherapie helfen, wenn sich zusätzlich ein Typ-2-Diabetes („Doppeldiabetes“) entwickelt.
Orale Antidiabetika lassen sich in folgende Kategorien unterteilen:
1. Metformin
Wenn ein veränderter Lebensstil, gesündere Essgewohnheiten oder mehr körperliche Aktivität nicht mehr ausreichen, um erhöhte Blutzuckerwerte bei Typ-2-Diabetes zu senken, verschreiben Ärzte häufig das wohl bekannteste orale Antidiabetikum: Metformin aus der Gruppe der Arzneimittel „Biguanide“. Metformin hat zwei Haupteffekte: Zum einen verbessert das Antidiabetikum die Insulinempfindlichkeit der Zellen und verzögert die Zuckeraufnahme aus dem Darm, zum anderen verhindert es, dass die Leber neuen Zucker bildet. Auch niedrigere Blutfettwerte sind eine positive Folge.
Bestehen Risiken? Metformin hat keinen Einfluss auf die Insulinausschüttung, also besteht dadurch keine Gefahr für Unterzuckerungen. Allerdings können zu Beginn der Einnahme Magen-Darm-Beschwerden auftreten. Auch bei einer ausgeprägten Nierenfunktionseinschränkung ist Metformin ungünstig und kann zu einer Übersäuerung des Blutes („Laktatazidose“) führen. Bei anstehenden medizinischen Eingriffen oder Infekten muss Metformin gegebenenfalls nach ärztlicher Rücksprache pausiert werden.
2. SGLT2-Hemmer
Erzielt Metformin nicht die gewünschte Wirkung, können SLGT-2-Hemmer bzw. SLGT-2-Inhibitoren („Flozine“) unterstützend oder ersatzweise eingesetzt werden. Auch bei Unverträglichkeiten gegenüber Metformin bieten sich SLGT-2-Hemmer an. Dazu zählen die Wirkstoffe Canagliflozin (in Deutschland nicht erhältlich), Dapagliflozin, Empagliflozin und Ertugliflozin.
So funktionieren SGLT-2-Hemmer: Sie steigern die Zuckerausscheidung im Urin, indem sie in den Nieren den Zellmembrankanal SGLT-2 hemmen. Dieser verhindert, dass Glukose mit dem Urin ausgeschieden wird. Sobald also die Glukose einen bestimmten Spiegel überschreitet, wird sie über den Urin ausgeschieden – ebenso wie Kalorien, sodass Gewichtsabnahme ein weiterer Effekt ist. Auch Blutdrucksenkung und ein Schutzeffekt für Herz und Nieren gehören zu den positiven Folgen.
Nicht eingesetzt werden darf diese Wirkstoffgruppe bei Menschen mit schweren Leberschäden. Sehr alte Menschen und diejenigen, die stark harntreibende Mittel (Diuretika) einnehmen, sollten sie nur mit Vorsicht und unter Therapieüberwachung einsetzen. Als Nebenwirkung können Infektionen im Genitalbereich auftreten. Vor medizinischen Eingriffen oder bei schweren fieberhaften Infekten sollte die Einnahme von SGLT-2-Hemmern in ärztlicher Absprache pausiert werden.
3. DPP4-Hemmer
Eine weitere Alternative oder Ergänzung zu Metformin sind DPP4-Hemmer bzw. DDP4-Inhibitoren, zu denen die Wirkstoffe Sitagliptin, Saxagliptin, Vildagliptin und Linagliptin zählen. Daneben gibt es Tabletten, die Metformin und einem DPP-4-Hemmer in einem Medikament kombinieren.
Das orale Antidiabetikum hemmt das Enzym DPP-4 und „beschützt“ so das Darmhormon GLP 1, das normalerweise nach dem Essen schnell durch DPP-4 abgebaut wird. GLP 1 senkt den Blutzucker unter anderem dadurch, dass es die Ausschüttung des körpereigenen Insulins fördert – und wirkt dank der Hemmer länger. Außerdem vermindern DPP-4-Inhibitoren die Produktion von Zucker in der Leber.
DPP-4-Hemmer gelten als gut verträglich. Auch hier droht keine Unterzuckerung, da GLP 1 nur bei erhöhtem Blutzuckerspiegel aktiv ist. Bei Menschen mit fortgeschrittener Nierenschwäche kann die Dosis angepasst werden, bei schweren Leberschäden wird von der Einnahme abgeraten. Sehr selten kann es zu einer akuten Bauchspeicheldrüsen-Entzündung kommen, folglich sind DDP-4-Hemmer nicht für Patient*innen mit einem Risiko für Pankreatitis geeignet.
4. Sulfonylharnstoffe und Glinide
Sulfonylharnstoff-Präparate als Tabletten sind ein weiterer möglicher Weg in der Zweitlinientherapie, wenn Metformin nicht ausreicht oder vertragen wird. Sulfonylharnstoffe mit den Wirkstoffen Glibenclamid, Glimepirid, Gliclazid und Gliquidon zählen zu den ältesten oralen Antidiabetika, die die Betazellen der Bauchspeicheldrüse anregen, Insulin freizusetzen. So wird der Blutzucker gesenkt, Blutzuckerspitzen nach dem Essen werden vermieden.
Glinide ähneln in der Wirkung den Sulfonylharnstoffen, indem sie ebenfalls die körpereigene Insulinproduktion anregen. Aktuell ist in Deutschland nur Repaglinid eingeschränkt zugelassen. Im Gegensatz zu den Sulfonylharnstoffen setzt ihre Wirkung rasch ein. Vor allem bei Menschen, die unregelmäßig essen, ist durch die kurze Wirkungsdauer ein flexiblerer Einsatz im Vergleich zu Sulfonylharnstoffen möglich.
Bei Sulfonylharnstoffen und – geringer, weil kürzer wirksamer – Gliniden besteht ein hohes Unterzuckerungsrisiko, auch für schwere und langanhaltende Hypoglykämien, da sie unabhängig von der aktuellen Höhe des Blutzuckers wirken. Auch drohen bei beiden Antidiabetika theoretisch eine Gewichtszunahme und Magen-Darm-Beschwerden. Des Weiteren funktionieren sie nicht, wenn die Bauchspeicheldrüse nicht mehr ausreichend Insulin produziert. Bei nachlassender Nierenfunktion werden sie in der Regel nicht verordnet. Ein Nachteil: Bei längerer Anwendung nimmt die Wirksamkeit von Sulfonylharnstoffen ab. Glinide werden heutzutage nur noch in begründeten Ausnahmesituationen zur Behandlung des Typ-2-Diabetes eingesetzt.
5. Alpha-Glukosidase-Hemmer
Eine weitere Gruppe der oralen Antidiabetika sind Alpha-Glukosiase-Hemmer, die die Aufnahme von Zucker im Darm verlangsamen – dank der Wirkstoffe Acarbose und Miglitol. Sie werden heutzutage nur noch selten in der Diabetes-Therapie eingesetzt.
Als Nebenwirkungen können Blähungen, Durchfall und Bauchschmerzen auftreten, seltener auch Übelkeit. Schwangere mit Diabetes dürfen diese Hemmer nicht verwenden.
2. Weitere Medikamente, die gespritzt werden
GLP1-/GIP-Rezeptor-Agonisten (Inkretin-Mimetika)
Neben oralen Antidiabetika gibt es weitere Medikamente, die bei Diabetes mellitus Typ 2 eingesetzt werden: GLP1-/GIP-Rezeptor-Agonisten bzw. Inkretin-Mimetika. Sie werden verordnet, wenn ein Patient oder eine Patientin orale Antidiabetika nicht verträgt oder wenn sich die Stoffwechsellage mit oralen Antidiabetika alleine nicht entscheidend verbessert. Meist werden sie in Kombination mit oralen Antidiabetika verschrieben, vorzugsweise mit Metformin. Generell spielen immer individuelle Faktoren wie Alter, Vor- und Begleiterkrankungen sowie Therapieziele eine Rolle bei der Wahl der passenden Therapie und Medikation.
Bei den Inkretin-Mimetika handelt es sich um künstliche hergestellte Inkretin-Analoga, die die Wirkungen der natürlichen, im Darm produzierten Inkretinhormone nachahmen. Inkretine werden nach Nahrungsaufnahme freigesetzt, z.B. das so genannte Glucagon-like-Peptide 1 (GLP-1) und das GIP (Glucose-dependent insulinotropic Polypeptide). Sie stimulieren nach einer Mahlzeit oder bei erhöhten Blutzuckerwerten die Insulinfreisetzung aus der Bauchspeicheldrüse. Außerdem hemmen sie die Produktion des Insulin-Gegenspielers Glukagon und stimulieren das Sättigungszentrum im Gehirn. Inkretin-Mimetika werden auch GLP-1-Agonisten, GLP-1-Analoga oder GLP-1-Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) genannt. „GLP-1“ ist die Abkürzung für „Glukagon-like Peptide“, also glukagonartiges Peptid.
Durch das blutzuckersenkende Medikament wird die Magenentleerung gehemmt und damit der Appetit. Längerfristig kann so das Gewicht reduziert werden. Gleichzeitig wird der Spiegel des blutzuckersteigenden Hormons Glukagon im Blut herabgesetzt. Auch der Blutdruck wird leicht gesenkt und einige GLP-1-Agonisten verringern das Risiko für Herz-Kreislauf-Komplikationen. Folglich kommen Inkretin-Mimetika bei der Behandlung von Menschen mit Typ-2-Diabetes zum Einsatz, die ein besonders hohes Risiko für Herz-Kreislaufkomplikationen haben oder bereits herzkrank sind. Außerdem werden sie bei adipösen Menschen mit Typ-2-Diabetes oft verordnet.
Zu den Inkretin-Mimetika zählen die Wirkstoffe Liraglutid, Exenatid, Semaglutid, Lixisenatid (nur als Kombinationspräparat mit Insulin glargin) sowie Dulaglutid. Inkretin-Analoga werden in der Regel unter die Haut gespritzt. Da sie im Gegensatz zum „echten“ GLP-1 länger wirken, müssen sie je nach Präparat nur ein- bis zweimal am Tag oder sogar lediglich einmal pro Woche ins Unterhautfettgewebe gespritzt werden. Der Wirkstoff Semaglutid existiert nicht nur als Präparat zum Spritzen, sondern parallel auch in Tablettenform für die orale Einnahme einmal täglich. Seit 11/2023 gibt es auch einen ersten Kombinationswirkstoff (Inkretindoppelagonisten), der nicht nur Wirkungen des GLP-1, sondern auch des GIP hervorruft (Tirzepatid).
Vorsicht: Speziell zu Beginn der Therapie kann Übelkeit und Erbrechen als Nebenwirkung auftreten, außerdem können Inkretin-Mimetika die Aufnahme anderer Arzneimittel im Blut verzögern. Wer an Bauchspeicheldrüsenentzündung oder einem seltenen Schilddrüsenkrebs (dem medullären Schilddrüsenkarzinom) leidet, für den ist die Therapie mit Inkretin-Mimetika nicht geeignet. Dafür besteht bei Inkretin-Mimetika nur ein sehr geringes Unterzuckerungsrisiko.
Das Enzym Dipeptidyl-Peptidase 4 (DPP-4) baut GLP-1 im Blut wieder ab. Daher werden Menschen mit Diabetes oft auch mit DDP-4-Hemmern behandelt, damit die Konzentration von GLP-1 länger hoch bleibt. DPP-4-Hemmer können die GLP-1 Spiegel im Blut jedoch nicht so stark erhöhen, wie GLP-1-Agonisten.
3. Insulin bei Typ-2-Diabetes
Für Menschen mit Typ-2-Diabetes kann auch die Behandlung mit Insulin eine Option sein. Es wird meist in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung verordnet, wenn sämtliche nicht-medikamentösen Maßnahmen wie Gewichtsreduktion, Ernährungsumstellung und körperliche Bewegung (Basistherapie) sowie eine medikamentöse Therapie mit oralen Antidiabetika und/oder GLP 1/-GIP-Agonisten nicht (mehr) ausreichen, um das individuelle Therapieziel zu erreichen. Auch nach Erstdiagnose und in weiteren Situationen, in den es zu einer Entgleisung des Stoffwechsels kommt, wird manchmal für eine begrenzte Zeit Insulin verordnet. Auch bei der Gabe von bestimmten Medikamenten, bei schweren Infekten, Traumata, größeren Operationen sowie bei stark eingeschränkter Nierenfunktion kann Insulin bei Typ-2-Diabetes zum Einsatz kommen. Bei Typ-2-Diabetes wird Insulin zudem oft in Kombination mit anderen Antidiabetika verordnet.
Verschiendene Therapieformen – nicht-intensivierte Insulintherapie überwiegt
Im Gegensatz zum Typ-1-Diabetes, wo in der Regel eine intensivierte konventionelle Therapie (ICT) oder eine Insulinpumpentherapie eingesetzt wird, überwiegt bei Menschen mit Typ-2-Diabetes die nicht-intensivierten Insulintherapie:
- Wird einmal täglich Basal-Insulin verabreicht, spricht man von einer basal unterstützten oralen Therapie (BOT).
- Wenn Bolus-Insulin zu den Hauptmahlzeiten gespritzt wird, handelt es sich um einen supplementäre Insulintherapie (SIT).
- Bisweilen kommt bei Typ-2-Diabetes auch die konventionelle Insulintherapie (CT) zum Einsatz. Diese eignet sich für Menschen mit gleichmäßigem Tagesablauf, denn hierbei wird meist zwei Mal am Tag zu festen Uhrzeiten (vor dem Frühstück und vor dem Abendessen) eine festgelegte Menge Insulin gespritzt – eine vorgefertigte Mischung aus lang- und kurzwirksamen Insulinen. Da die Insulinwirkung 8-12 Stunden lang andauert und kurzwirksames Insulin dabei ist, müssen tagsüber regelmäßig Mahlzeiten mit einer ganz bestimmten Menge an Kohlenhydraten gegessen werden.
- Daneben kommt – besonders im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung – auch bei Menschen mit Typ-2-Diabetes die intensivierte konventionelle Therapie (ICT) oder die Pumpentherapie („kontinuierliche subkutane Insulininfusion“ oder CSII) zum Einsatz, die bei Typ-1-Diabetes üblich ist.
Nebenwirkungen und was Sie sonst noch beachten sollten
Unterzuckerungen (Hypoglykämien) können bei einer Insulintherapie als Nebenwirkungen auftreten, vor allem, wenn zu viel Insulin gespritzt wurde. Es ist daher wichtig, dass Menschen, die eine Insulintherapie nutzen, oder deren Pflegepersonal bezüglich Hypoglykämien und Stoffwechselselbstkontrolle geschult sind.
Eine weitere häufige Nebenwirkung von Insulin ist eine Gewichtszunahme, vor allem bei konventioneller Insulintherapie. Seltener sind dagegen Ödeme oder Wassereinlagerungen im Körper sowie Sehstörungen zu Beginn der Therapie. Diese Nebenwirkungen klingen meist von selbst wieder ab. Außerdem können Fettgewebswucherungen an der Einstichstelle unter der Haut auftreten.
Wichtig: Werden Menschen mit Typ-2-Diabetes zusätzlich oder ausschließlich mit Insulin behandelt, muss in bestimmten Situationen geprüft werden, ob diese Therapie auch weiterhin nötig ist. Das gilt etwa, wenn die ursprüngliche Indikation – wie eine akute Erkrankung oder eine Entgleisung des metabolischen Syndroms – nicht mehr besteht.
Auch wenn die Zielwerte des Glukosestoffwechsels erreicht sind oder unterschritten werden, Unterzuckerungen auftreten oder sich das individuelle Therapieziel verändert hat, muss geprüft werden, ob Insulin auch weiterhin die Therapie der ersten Wahl ist.
Zum Einsatz der verschiedenen Medikamente und zur Stufentherapie des Typ-2-Diabetes gibt es auch Empfehlungen in der Nationalen Versorgungsleitlinie zur Behandlung des Typ-2-Diabetes und in den Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).
Bitte beachten Sie: Diese Informationen können keine ärztliche Beratung ersetzen und sind nicht als Empfehlung für oder gegen eine Therapie gemeint. Bitte besprechen Sie Ihre individuelle Therapie mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem behandelnden Arzt.
Quellen: diabinfo; Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin/Nationale VersorgungsLeitlinien
Text: Susanne Löw