Erstattung kurzwirksamer Insulinanaloga für Kinder gefährdet

IQWiG: Kinder von kurzwirksamen Insulinanaloga auf Humanininsulin umstellen?  Machen Sie einen Termin mit Ihrem Bundestagsabgeordneten!

Am 16. November 2009 war es soweit – das Institut für Wirtschaftlichkeit und Qualitätssicherung im Gesundheitswesen (IQWiG) legte seinen Abschlussbericht zum Einsatz von kurzwirksamen Analoga bei Kindern und Jugendlichen mit Typ 1 Diabetes vor. Die erwartete und befürchtete Schlussfolgerung: das IQWiG findet keinen Beleg für einen Zusatznutzen der vielgenutzten Medikamente bei Kindern. Zu diesem Schluss war man schon einmal im Jahr 2007 gekommen und der gemeinsame Bundesausschuss (GBA) wollte daher kurzwirksame Analoga von der Erstattungsfähigkeit ausschließen.

BMG im Mai 2008: keine Umstellung

Im Mai 2008 teilte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) dem GBA mit, dass Kinder und Jugendliche mit Diabetes Mellitus Typ 1 bis zum 18. Lebensjahr auch weiterhin kurzwirksame Insuline von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet bekommen. Die Beanstandung stellte fest, dass eine Umstellung von Kindern auf Humaninsuline nicht zumutbar sei. Damals hatte das Bundesgesundheitsministerium auf über 4.000 Petitionen von Eltern aus dem ganzen Bundesgebiet sowie einer Protestveranstaltung im März 2008 vor dem Bundesgesundheitsministerium reagiert.

IQWiG zieht 2008 selben Schluss wie 2007

Jetzt ist es wieder soweit! Auch Stellungnahmen von renommierten Kinderdiabetologen, die darauf hinwiesen, dass das wissenschaftliche Bewertungsverfahren des IQWiG nicht den üblichen internationalen Standards betrifft, konnten nichts bewirken. In der kürzlich erschienenen „evidenzbasierten“ Kinderdiabetesleitlinie werden die wissenschaftlichen Studien ausführlich dargelegt, die sich aber im IQWiG-Bericht in keiner Weise niedergeschlagen haben.

Zusicherungen lassen hoffen

Aber es bleibt auch Hoffnung. Es bestehen Zusicherungen vom Petitionsausschuss, dass diese Insuline zukünftig weiter erstattet werden. Der scheidende Staatssekretär im Gesundheitsministerium, Dr. Klaus-Theo Schröder, stellte noch am 9. September 2009 fest, dass, wenn der Abschlussbericht des IQWiG vorliegt und sich der GBA erneut mit dem Thema befassen sollte, er die im Schreiben des Bundesgesundheitsministeriums enthaltene Maßgabe zu beachten habe. Darin wurde dem GBA mitgeteilt, dass ein Verordnungsausschuss kurzwirksamer Insulinanaloga für Kinder und Jugendliche eine unzumutbare und daher unverhältnismäßige Beeinträchtigung darstellt, die rechtlich nicht zu rechtfertigen gewesen wäre.

Jetzt sind die Eltern gefragt

Hier sind nun alle Eltern gefragt, damit auch die neue Regierung diese Zusammenhänge versteht (www.bundestag.de). Wenn es denn im Januar zu einem neuem GBA-Beschluss kommen sollte, muss die Nachhaltigkeit der damals getroffenen Entscheidung eingefordert werden. 

Nutzen der Insulinanaloga

Die Zahlen in Deutschland sprechen deutlich für einen Nutzen der Analoga: mehr als die Hälfte der 25.000 Kinder und Jugendlichen verwenden kurzwirksame Insulinanaloga – und die sollen jetzt alle auf Normalinsulin umgestellt werden? Ungefähr ein Drittel der Kinder werden mit einer Insulinpumpe behandelt, in denen zur besseren Steuerbarkeit  kurzwirksame Insulinanaloga verwendet werden. Der Deutsche Gesundheitsbericht 2010 von diabetesDE belegt, dass sich in den letzten drei Jahren, die Pumpenbehandlung ganz vorrangig bei der Behandlung sehr junger Patienten durchgesetzt hat. 52% aller Diabetespatienten, die im Jahr 2008 jünger als fünf Jahre alt waren, verwendeten eine Insulinpumpe. Welche Folgen würde eine Insulinumstellung gerade bei dieser ohnehin schwierig zu behandelnden Patientengruppe haben? Bereits heute kann man am Verordnungsverhalten bei Erwachsenen die möglichen Folgen einer Einschränkung der Erstattung sehen. So haben 2/3 der privatversicherten Diabetespatienten kurzwirksame Insulinanaloga aber nur 1/3 der gesetzlich Versicherten. Auch wenn man die Länder vergleicht kommt man zu erstaunlichen Zahlen: während in Schweden bereits im Jahr 2006 91% der Patienten kurzwirksame Insulinanaloga verwendeten, sind es in Deutschland weniger als die Hälfte.

Zum Abgeordneten gehen!

Besonders mit Blick auf die anstehenden weiteren Verbesserungen in der Diabetesbehandlung von Kindern, man denke hier nur an die Glukosesensoren, wird es Zeit, die Politiker auf die Bedürfnisse von Kindern mit Diabetes aufmerksam zu machen. Viele Kinderdiabetologen empfehlen daher, sich einen Termin zum Jahreswechsel bei dem zuständigen Bundestagsabgeordneten zu machen. Sicher hilft eine Schilderung des ganz persönlichen Erlebens, wie kurzwirksame Insulinanaloga die Flexibilität in der Behandlung ermöglicht, oder man mit einer Insulinpumpe auf die verschiedenen Herausforderungen eines Kinderlebens reagieren kann. Und wie immer gilt, je mehr Leute sich angesprochen fühlen und aktiv werden, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs.

Was macht Minister Rösler?

Was wird der neue Bundesgesundheitsminister Dr. Rösler machen? Wir können uns schwer vorstellen, das der Vater von zwei kleinen Kindern, der vor zwei Jahren beim Tag der offenen Tür in unserem Kinderkrankenhaus auf der Bult in Hannover die Kinder als Bauchredner begeistert hat, zulässt, dass die Entscheidung seiner Vorgängerin rückgängig gemacht wird – aber dafür braucht er sicher die Unterstützung der Betroffenen.

Dezember 2009
Prof. med. Thomas Danne
Chefarzt des Kinderkrankenhauses auf der Bult, Hannover
Chefredakteur „Diabetes Eltern Journal“
Vorstandsvorsitzender von diabetesDE

Weitere Informationen/Quellen:

  • Pressemitteilung IQWiG zum neuen Bericht und Abschlussbericht
  • Brief des BMG vom 9. September 2009
  • Statement der AGPD zum Vorbericht des IQWiG vom 7.7.2009
  • Antwort des GBA-Vorsitzenden Dr. Hess vom 16.4.2009
  • Brief des AGPD Vorsitzenden an den Vorsitzenden des GBA vom Januar 2009
  • Infobrief des VfA zur Anhörung im IQWiG vom 18. 12.2008
  • Stellungnahme der AGPD / DDG zum Berichtsplan November 2008
  • Beschluss des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages Analoga bei Kindern vom 16.10.2008
  • Beschluss des Gesundheitsministeriums kurzwirksame Analoga für Kinder weiter zuzulassen vom 8.5.2008
  • Schreiben der damaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt vom 16.4.2008
  • Bericht über die Demonstration vor dem Bundesgesundheitsministerium vom 18.3.2008
  • Beschluss des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages zu Analoginsulinen vom 12.2.2007
  • Stellungnahme der AGPD vom 29.9.2006