Diabetes, Hormone und Geschlecht: Ein lebenslanges Wechselspiel
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Der Einfluss von Hormonen und des Geschlechts auf die Erkrankung Diabetes ist enorm, vielfältig und zieht sich durch das gesamte Leben: Er beginnt bereits im Kindesalter, wenn es zu Unterschieden bei Mädchen und Jungen mit Typ-1-Diabetes kommt, etwa bezüglich der Häufigkeit von Hypoglykämien. Als Grund dafür diskutieren Forscher*innen unter anderem Faktoren wie Wachstumshormone und einen frühen Einfluss von Geschlechtshormonen.
Vor allem in der Pubertät ist die Auswirkung von Hormonen auf den Verlauf des Diabetes prägnant, wenn etwa ab dem 10. Lebensjahr vermehrt Sexual- und Wachstumshormone ausgeschüttet werden: Geschlechtshormone (Östrogen bei den Mädchen, Testosteron bei den Jungen) können für eine reduzierte Insulinempfindlichkeit und damit für einen erhöhten Insulinbedarf sorgen. Die Folge sind Blutzuckerschwankungen – zumal die Konzentration beider Hormone im Körper in dieser Lebensphase schwankt (siehe auch hier).
Wachstumshormone, die normalerweise morgens, aber ebenfalls unregelmäßig ausgeschüttet werden, gelten als mitursächlich für das Dawn-Phänomen, also hohe Blutzuckerwerte am frühen Morgen. Denn auch sie vermindern die Insulinwirkung und lassen den Blutzucker schwanken. Jungen schütten am Ende ihrer Pubertät am stärksten Wachstumshormone aus, Mädchen zu Pubertätsbeginn – meist jeweils verbunden mit der stärksten Wachstumsphase. Das Dawn-Phänomen, bei denen neben Wachstums- auch Geschlechtshormone und Kortisol involviert sind, kann allerdings auch im Erwachsenenalter auftreten. Bei jungen Mädchen mit Typ-1-Diabetes kann es zudem in den Wochen vor der ersten Periode zu einer erhöhten Insulinresistenz kommen.
Um all diesen hormonellen Veränderungen in der Pubertät zu begegnen, muss die Therapie angepasst werden. Der Insulinbedarf steigt dadurch von etwa 1 Insulin-Einheit je kg Körpergewicht am Tag auf bis zu 1,5 Insulin-Einheiten je kg Körpergewicht am Tag an. Es gilt folglich, das Basal-Insulin anzupassen. Die gute Nachricht: Nach der herausfordernden Zeit der Pubertät beruhigt sich die Stoffwechsellage und der Insulinbedarf verringert sich wieder.
Doch auch im Erwachsenenalter gibt es diverse Situationen und Lebensphasen, in denen Hormone einen Einfluss auf die Glukoseeinstellung haben, so etwa bei Frauen während ihrer Menstruation (siehe auch hier). Denn die für den Zyklus verantwortlichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron beeinflussen den Blutzuckerspiegel: Der Spiegel beider Hormone ist einige Tage vor Einsetzen der Periode hoch, was häufig mit einem erhöhten Blutzuckerspiegel einhergeht. Mit dem Start der Regelblutung sinken Östrogen- und Progesteronspiegel wieder und parallel dazu fallen häufig auch die Blutzuckerwerte. Achtung: Unterzuckerungsgefahr!
Umgekehrt wird auch von einer Beeinflussung des Diabetes auf den Zyklus berichtet: So haben Frauen mit Diabetes oftmals längere Zyklen, stärkere Blutungsphasen und mehr Menstruationsbeschwerden als stoffwechselgesunde Frauen. Nahen bei älteren Frauen mit Diabetes die Wechseljahre, kann es erneut zu einer erhöhten Insulinresistenz kommen.
Des Weiteren können nicht nur diabetesbedingte Nervenschädigungen und Durchblutungsstörungen, sondern auch Hormone sexuelle Funktionsstörungen bei Typ-1- und Typ-2-Diabetes wie die erektile Dysfunktion bei Männern mitverursachen – in diesem Fall in Form eines Mangels am Sexualhormon Testosteron (siehe dazu auch hier).
Text: Susanne Löw
Quelle: diabinfo