Dürfen Menschen mit Diabetes Auto fahren?

Führerscheinkontrolle freundlicher Polizist
© Shutterstock

Menschen mit Diabetes verursachen nicht mehr Unfälle als ihre Mitmenschen ohne Diabetes. Allerdings können Betroffene im Straßenverkehr in Situationen kommen, in der sie sich und andere gefährden – vor allem, wenn sie häufig Unterzuckerungen haben. Deshalb hat der Gesetzgeber Verordnungen erlassen, die regeln, unter welchen Bedingungen Menschen mit Diabetes Auto fahren dürfen. Wichtig ist, dass man als Mensch mit Diabetes „gut” eingestellt ist, d.h. wenig Schwankungen im Blutzucker hat und geschult ist. Wenn dies der Fall ist, dann darf man grundsätzlich alle Fahrzeugklassen fahren.

Diabetes-Diagnose bei vorhandenem Führerschein

„Muss ich meinen Führerschein nun abgeben?”, fragt sich mancher besorgt, der von seinem Arzt oder seiner Ärztin die Diagnose Diabetes mellitus mitgeteilt bekommen hat. Nein! Wer einen Führerschein hat, muss eine neu aufgetretene Diabeteserkrankung nicht bei der Straßenverkehrsbehörde melden. Der Arzt und die Ärztin ist an seine und ihre Schweigepflicht gebunden und darf den Behörden nichts über den Gesundheitszustand seiner Patient*innen mitteilen. 

So liegt es also in der Verantwortung des Einzelnen, ob und in welchen Situationen er oder sie Auto fahren möchte. Für alle Menschen mit Diabetes ist es ratsam, vor Antritt der Fahrt und auch unterwegs regelmäßig den Blutzucker zu messen. „Wir empfehlen unseren Patienten stets regelmäßige Kontrollen ihrer Glukosewerte bei Autofahrten, um gefährliche Unterzuckerungen rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden“, erklärt Dr. med. Wolfgang Wagener, Vorsitzender des DDG Ausschusses „Soziales“. Außerdem sollten Menschen mit Diabetes regelmäßig kleine Mengen zu essen und für den Notfall ein Stück Traubenzucker griffbereit zu haben. Mit zu niedrigem Blutzucker darf man nicht ans Steuer, denn laut §2, Absatz 1 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gilt: „Wer sich infolge körperlicher oder geistiger Mängel nicht sicher im Verkehr bewegen kann, darf am Verkehr nur teilnehmen, wenn Vorsorge getroffen ist, dass er andere nicht gefährdet.“ 

Achtung: Wer andere Menschen gefährdet, weil er im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge körperlicher oder geistiger Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, kann laut Strafgesetzbuch (StGB) mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe belangt werden. Auch ärztliche (temporär) erteilte Fahrverbote, etwa bei Therapieumstellungen, sollte man aus diesen Gründen unbedingt sehr ernst nehmen!

Führerscheinprüfung mit Diabetes? Das geht!

Wer noch keinen Führerschein hat oder aber nach einem Entzug der Fahrerlaubnis den Führerschein neu beantragt, der findet auf den Formularen unter anderem die Frage nach einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Doch auch hier bedeutet ein Kreuzchen bei Diabetes nicht automatisch, dass es keinen Führerschein gibt.

Denn Menschen mit Diabetes werden nach der Fahrerlaubnis-Verordnung in drei Gruppen eingeteilt:

  • Uneingeschränkt Auto fahren dürfen all jene, die nur mit Diät bzw. mit Medikamenten zur Besserung der Insulinresistenz wie Metformin oder/und Antidiabetika zur Resorptionsverzögerung von Nährstoffen behandelt werden. Bei diesen Therapieformen besteht nur ein geringes Risiko für Hypoglykämien
  • Wer jedoch Pharmaka vom Typ der Sulfonylharnstoffe einnimmt, hat ein höheres Risiko für Unterzuckerungen. Deshalb wird in der Regel eine ärztliche Stellungnahme verlangt. Wenn die Stoffwechsellage stabil ist, steht dem Erwerb des Führerscheins nichts mehr im Weg.
  • Schwieriger wird es jedoch bei der dritten Gruppe der Menschen mit Diabetes: jenen, die mit Insulin behandelt werden. Hier ist die Gefahr deutlich größer, dass es zu einer Unterzuckerung kommt. Das kann im Straßenverkehr gefährlich werden. Deshalb wird auch in diesem Fall regelmäßig eine ärztliche Stellungnahme oder mitunter auch ein fachärztliches Gutachten verlangt; außerdem muss die Stoffwechsellage regelmäßig kontrolliert werden.

Mögliche Unterzuckerungen sollte jeder Mensch mit Diabetes zuverlässig erkennen und beheben können. Darüber hinaus sollten Menschen mit Diabetes ein Blutzucker-Tagebuch führen oder über ein CGM-Gerät oder wahlweise eine andere technische Unterstützung Zugriff auf den Verlauf ihrer Glukose haben und diese Dokumentationen immer bei sich haben. Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird die Fahrerlaubnis für Pkw in der Regel erteilt.

Blutzuckermessen am Steuer? Nein! 

Dass man nicht umständlich mit Blutstropfen, Teststreifen und Blutzuckermessgerät am Steuer hantieren sollte, ist selbstverständlich. Weniger bekannt ist, dass man unterwegs aber auch nicht so ohne Weiteres sein CGM-Messgerät oder seine Insulinpumpe bedienen darf. Wie die Nutzung des Handys am Steuer gilt nämlich auch dies als Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) – und wird mit einem Bußgeld von aktuell mindestens 100 Euro sowie mindestens einem Punkt in Flensburg geahndet; dazu kann auch ein Fahrverbot drohen. Laut § 23 Abs. 1 a StVO dürfen beim Führen eines Fahrzeugs elektronische Geräte, die „der Kommunikation, Information oder Organisation dienen“, nur benutzt werden, wenn sie dafür weder aufgenommen noch gehalten werden müssen und zur Bedienung und Benutzung der Blick nur kurz vom Verkehrsgeschehen ab und dem Gerät zugewendet wird. 

Vielmehr müssen Betroffenen erst das Auto, Motorrad, E-Bike, E-Scooter oder Fahrrad ordnungsgemäß an den Straßenrand fahren und gegebenenfalls den Motor abstellen, bevor sie CGM oder Insulinpumpe bedienen. Zweiradfahrer müssen absteigen. Das Verbot der „Unterwegs-Benutzung“ gilt auch an roten Ampeln und für Situationen und auch bei Nutzung einer sogenannten Start-Stopp-Automatik, da sich der Motor dort nicht vollkommen abschaltet. 

„Ein kurzer Blick aufs Display zum Ablesen des Glukosewerts ist zulässig, sofern das Messgerät dazu nicht aufgenommen oder bedient werden muss“, erklärt Rechtsanwalt Oliver Ebert, Rechtsexperte der DDG und diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe. Er empfiehlt den Einsatz einer Handy-Halterung: Ein Tastendruck zum Einschalten des Displays wäre dann unproblematisch, sofern dies zu keiner Ablenkung führt. „Wir raten jedoch davon ab, das Gerät mehrfach anzutippen oder zum Messwert zu scrollen. Das absorbiert zu viel Aufmerksamkeit vom Verkehr.“ Die Rechtsprechung sei sehr streng, da bereits das Ablegen des Gerätes auf dem Oberschenkel schon als „Halten des Gerätes“ angesehen werde. Außerdem sollte man laut dem Experten nicht blind auf die Werte eines CGM-Geräts vertrauen, da es diverse mögliche Gründe für Störungen oder Ausfälle gibt.

Die Folgen einer Verkehrswidrigkeit können weit reichen: „Kommt es im Zusammenhang mit einer Gerätebedienung zu einem Unfall, könnten Gerichte schnell ein fahrlässiges Verhalten unterstellen“, warnt Ebert. Dem Unfallverursacher drohen dann hohe Strafen, Schadensersatzforderungen oder gar Gefängnis. Ebert weist zudem darauf hin, dass es zu einer Meldung an die Straßenverkehrsbehörde führen kann, wenn CGM oder Insulinpumpe bei einer Polizeikontrolle auffallen. Der Fahrerende könnte von der Führerscheinbehörde dann womöglich zu einer verkehrsmedizinischen Untersuchung aufgefordert werden, deren Kosten er oder sie selbst tragen muss. In diesem Zusammenhang rät der Experte zu einer Verkehrsrechtsschutz-Versicherung.

Hier finden Sie ein Video, in dem Rechtsanwalt Oliver Ebert im Rahmen des Weltdiabetestags 2021 davon berichtet, worauf Menschen mit Diabetes vor und während des Autofahrens achten müssen, wann es durch den Diabetes zu einer Einschränkung der Fahrerlaubnis kommen kann und wie man am besten vorgeht, falls ein Gutachten erforderlich wird.

Schlagworte
Alle Themen