Sport mit AID-System: Neue Leitlinie für Typ-1-Diabetes

Eine Radfahrerin mit Helm und Sportbrille auf einem Feldweg. Sie schaut nach rechts während sie trinkt. An ihrem Arm ist ein CGM-Gerät zu sehen
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Fast jeder vierte Mensch mit Typ-1-Diabetes nutzt in Deutschland bereits ein AID-System, also eine Kombination von Insulinpumpe, CGM-Sensor und Algorithmus, der für eine glukoseabhängige Abgabe von Insulin sorgt. Das wird im „Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes 2025“ der DDG mit Verweis auf den dt-Report 2024 vermeldet. Tendenz steigend: Laut dt-Report nehmen die Nutzerzahlen seit ein paar Jahren schnell zu. „Der Aufschwung war zu erwarten, aber nicht in dieser Geschwindigkeit“, sagt Prof. Dr. Othmar Moser vom Lehrstuhl Exercise Physiology & Metabolism an der Universität Bayreuth.  

Folglich haben bei ihm und an vielen weiteren Stellen die Fragen zur Therapieanpassung bei Sport und anderer physischer Aktivität mit AID-System ebenfalls exponentiell zugenommen. Denn auch wenn ein physisch aktiver Lebensstil klare gesundheitliche Vorteile bietet, kann er Glukoseschwankungen verursachen, die für die aktuellen AID-Systeme eine Herausforderung darstellen.  

„Nur den Sportmodus von AID-Systemen zu aktivieren, reicht dabei nicht aus, es braucht eine individualisierte Einstellung“, erklärt Moser. Eine solche individualisierte Beratung war aufgrund der Fülle der Anfragen aber in den Diabetes-Praxen nicht mehr in dem gewünschten Ausmaß möglich, eine Leitline als Arbeitserleichterung für Betroffene und medizinisches Personal musste her. Daher wurde nur vier Jahre, nachdem die letzte Leitlinie zum Thema Sport und Diabetes veröffentlicht wurde, eine neue Version mit einem Schwerpunkt auf AID-Systemen publiziert – wie schon im Jahr 2020 unter der Federführung von Moser.  

Empfehlungen für jedes AID-System 

Entstanden ist eine neue internationale Leitlinie zu Sport und Typ-1-Diabetes der Europäischen Diabetes-Gesellschaft (EASD) und der Internationalen Gesellschaft für Kinder- und Jugenddiabetes (ISPAD). „Von der Idee bis hin zur ersten Publikation im Dezember 2024 hat die Arbeit mit 25 internationalen Kolleg*innen rund 1,5 Jahre gedauert“, berichtet Moser.  

Die Leitlinie fasst aktuelle Erkenntnisse zu AID-Systemen zusammen, wobei alle Empfehlungen auf erforschten oder abgeleiteten Evidenzen und Studien stammen. Konkret wird jedes verfügbare AID-System einzeln dargestellt und es werden individuelle Empfehlungen zu deren Anwendung bei körperlicher Aktivität formuliert – sowohl wenn diese geplant als auch spontan gestartet wird. Darüber hinaus werden unterschiedliche Reaktionen des Blutzuckerspiegels auf körperliche Aktivität behandelt und gestaffelte Therapieoptionen vorgestellt, um den Glukosespiegel in verschiedenen Altersgruppen im Zielbereich zu halten. „Grundsätzlich ist in Bezug auf die Einstellungen der AID-Systeme bei Sport keine extreme Differenzierung zwischen Kindern und Erwachsenen nötig“, so Moser. „Vor allem bei der Empfehlung der Kohlenhydrate, die bei Aktivität zusätzlich eingenommen werden sollen, bewegt sich die Leitlinie bei den Empfehlungen für Kinder und Jugendliche aber eher am niedrigeren Kohlenhydratbereich.“ 

Beispiel für Omnipod 5 (Auszug):

Plant ein Mensch mit Typ-1-Diabetes eine Laufeinheit in weniger als zwei Stunden nach dem letzten Bolus, die den Blutzucker sinken lässt, rät die Leitlinie: 

  • 1 bis 2 Stunden vorher den „Aktivitätsmodus“ aktivieren (Ziel-BZ wird damit auf 150 mg/dl bzw. 8,3 mmol/l angehoben) 
  • Bolusgabe um 25 bis 33 % reduzieren 
  • 12 bis 20 g Kohlenhydrate zu sich nehmen, wenn während des Laufens der Glukosewert sehr schnell abfällt und unter 126 mg/dl bzw. 7,0 mmol/l sinkt 

Die internationale Leitlinie richtet sich sowohl an medizinisches Personal als auch direkt an Personen mit Typ-1-Diabetes. „Daher soll daraus auch eine DDG-Leitlinie für Deutschland und eine ÖDG-Leitlinie für Österreich entstehen. Zudem sind weitere Materialien für AID-Nutzer*innen geplant, während die AID-Herstellerfirmen aktuell ihre Schulungsmaterialien auf Basis der Leitlinie überarbeiten“, berichtet Moser. Sein Ziel: Die Empfehlungen müssen die Menschen mit Typ-1-Diabetes auf allen Kanälen erreichen – und sei es über jede kleinste Diabetespraxis.  

Seit Veröffentlichung erreicht Moser positives Feedback von vielen Seiten. Das schönste Kompliment ist für ihn die Rückmeldungen von Menschen mit Typ-1-Diabetes, die ihm schreiben, dass sie das, was er und seine Kolleg*innen in der Leitlinie empfehlen, doch schon seit Jahren ohnehin so handhaben: „Wenn wir es schaffen, die Intuition von Menschen mit Typ-1-Diabetes auf Basis von Evidenz in Leitlinien zu bringen, ist das doch die beste Anerkennung für unsere Arbeit!“

The use of automated insulin delivery around physical activity and exercise in type 1 diabetes: a position statement of the European Association for the Study of Diabetes (EASD) and the International Society for Pediatric and Adolescent Diabetes (ISPAD)“ erschien im Dezember 2024 in der Fachzeitschrift „Hormone Research in Paediatrics“ und im Januar 2025 in der Fachzeitschrift „Diabetologia“.

 

Text: Susanne Löw