Freddie (35) – Impulsgeberin

Freddie
© Christian Müller

Ganz schön dürr geworden, denkt sich Freddie im Sommer 2017, als sie sich im Spiegel betrachtet. Seit längerem hat sie keinen Appetit, was ungewöhnlich für sie ist. Sie beschließt, ihre Hausärztin aufzusuchen. Den vielen Durst schiebt Freddie noch auf den heißen Sommer und die Sehstörungen auf ihre Kurzsichtigkeit. Die Hausärztin begrüßt Freddie mit den Worten „Sie sehen doch topfit aus“ und will sie gar nicht weiter untersuchen, als Freddie auf einem Blutzuckertest besteht. Freddies Vater hat Typ-1-Diabetes, ihr schwant Böses, denn eigentlich deuten alle Symptome auch auf einen Typ-1-Diabetes hin. Ergebnis des Diabetestests: ein Langzeitblutzuckerwert (Hba1c) von 11.

Freddies erster Gedanke ist: Was bedeutet das jetzt für mein Leben? Werde ich es jemals schaffen, mir eine Nadel in den Bauch zu setzen und zu spritzen, und das mein Leben lang? Die auf die Hausärztin folgende Diabetologin ist einfühlsam genug, die tränenüberströmte junge Frau ernst zu nehmen und sie ganz langsam an das Spritzen per Pen heranzuführen. Das ist heute sechs Jahre her und Freddie ist dem Pen treu geblieben, sie und ihr Arzt sind mit den Werten zufrieden. Eine Pumpe oder ein AID-System ist für die quirlige Radio-Moderatorin und TV-Reporterin noch kein Thema, auch wenn sie die moderne Medizintechnik faszinierend findet.

Am meisten stört Freddie an ihrem Diabetes, dass er manchmal ein Eigenleben entwickelt – wer freut sich schon über eine nächtliche Unterzuckerung. Dann macht sie sich Vorwürfe und fragt sich, was sie falsch gemacht hat. Erst der Austausch mit anderen Menschen mit Diabetes hat sie ruhiger werden lassen, denn auch andere wissen oft nicht, warum ihre Wert instabil sind.

Das Verrückte ist, dass Freddies Freundin Kim im selben Jahr ebenfalls eine Diabetes-Diagnose erhielt, allerdings Typ-2-Diabetes. Fortan beginnt jedes Treffen mit Diabetesthemen. Und da Kim ebenfalls journalistisch als YouTuberin arbeitet, liegt es nahe, dass die beiden ihr erfahrungsbasiertes Wissen zu ihrem Leben mit Typ 1 und Typ 2 in einem Podcast aufarbeiten. Sie starten: „Typfrage – der Diabetes-Podcast mit Freddie und Kim.“ Derzeit produzieren sie schon ihre dritte Staffel – immer mit Expert*innen oder Betroffenen als Gästen. Die Themen recherchieren sie selbst oder greifen Vorschläge aus ihrer schnell größer werdenden Community auf, pro Podcast-Folge ein Thema: z.B. Schwangerschaftsdiabetes oder Diabetes & Job.

Bei dem Podcast geht es ihnen um Aufklärung, denn zu groß sind noch die Vorurteile und Stigmatisierung gegenüber Diabetes in der Gesellschaft: „Selbst schuld, jahrelang falsch gegessen“, das hören beide immer wieder. Durch ihren Podcast ist den beiden gelungen, dass die Community, egal ob Typ 1 oder Typ 2, näher zusammenrückt. Denn schließlich gibt es gleiche Oberthematiken, die alle angehen. Und alle Menschen mit Diabetes kennen die Lowlights und Highlights im Leben mit Diabetes. So war es für Freddie und Kim eine Selbstverständlichkeit, bei der Social Media Kampagne #SagEsLaut #SagEsSolidarisch mitzumachen.

Freddie ist besonders wichtig, Impulse zu setzen. So hat sie neulich TV-Produktionsfirmen gefragt, warum man in Reality-Shows nie Menschen mit Diabetes sieht. Sie wurde nämlich stutzig, als ihr der ehemalige „Bachelor“ Daniel Völz im Gespräch in ihrem Podcast erzählt, dass er als Typ 1er in einem Reality-Format anderes Essen bekommen hat als die anderen Teilnehmer*innen, ohne dass dies gezeigt wurde. Freddie als Journalistin legt gerne den Finger in die Wunde und wird hier nachhaken. Vielleicht sieht man also demnächst doch eine Person mit Sensor am Arm im TV.

Den Diabetes sichtbar zu machen, liegt in Freddies DNA. Als Reporterin schlüpft sie oft in die Rolle einer Praktikantin in Ausbildungsberufen, um das Berufbild sichtbar zu machen. Ihr Diabetes hat sie bei ihren TV-Produktionen noch nie gehindert, er ist halt immer da, bis ans Ende ihres Lebens. Diese entspannte Haltung hätte sie sich vor sechs Jahren im Behandlungszimmer ihrer Diabetologin beim Setzen der ersten Spritze nie vorstellen können.