Glukosewert auf der Smartwatch – ganz ohne CGM-Sensor?

Zwei Smartwatches um eine Banane
© Institut für Diabetes-Technologie Ulm

Es klingt verlockend für alle Menschen mit Diabetes: „Smartwatches mit integrierter Glukosemessfunktion“, auf denen man also seinen aktuellen Blutzucker ganz ohne invasive Verfahren oder zusätzliche Hilfsmittel sehen kann. Solche Angebote findet man auf diversen Online-Plattformen wie etwa bei Amazon. Doch eignen sich derartige Smartwatches tatsächlich als Alternative zu etablierten Messmethoden, um den Glukosewert zu ermitteln? Geht das wirklich so ganz ohne CGM-Sensor?
Diesen Fragen gingen Manuel Eichenlaub und seine Kolleginnen und Kollegen am Institut für Diabetes-Technologie (IfDT) in Ulm nach. Die Ergebnisse wurden auf dem DDG-Kongress 2024 in Berlin präsentiert.

2 Smartwatches, 1 Testperson und 1 Banane

Konkret trug eine Person mit Typ-1-Diabetes in einem Pilotversuch zwei verschiedene, im Juni 2023 online bestellte Smartwatch-Modelle mit angeblicher Glukosemessfunktion an zwei aufeinanderfolgenden Tagen. Zum Vergleich wurden zudem parallel Messungen mit einem konventionellen CGM-System durchgeführt. Und am dritten Tag wurden die getesteten Smartwatches an einer Banane befestigt – das war sozusagen die „Kontrollgruppe“.
Die Ergebnisse waren deutlich: An allen drei Tagen, also auch an dem Tag, an dem eine Banane die Geräte „trug“, wurden von der Smartwatch jeweils fast identische Glukoseverläufe aufgezeichnet. Eine relevante Ähnlichkeit zu den an den ersten beiden Tagen gleichzeitig aufgezeichneten CGM-Daten war dagegen nicht zu erkennen. „Die Banane hatte laut Smartwatch sogar einen Herzschlag“, ergänzt Eichenlaub schmunzelnd. 

Warnung vor der Nutzung zur Diabetestherapie

So amüsant das erscheinen mag: Die fehlerhaften Angaben können für Menschen mit Diabetes riskant werden: „Es ist davon auszugehen, dass die untersuchten Smartwatches über keine tatsächliche Glukosemessfunktion verfügen“, so Eichenlaub. Vielmehr, so die Schlussfolgerung der Ulmer Forschergruppe, zeichnen die Smartwatches eher ein festgelegtes, tageszeitabhängiges Glukoseprofil auf, das dem einer Person ohne Diabetes ähneln soll, sogar wenn die Geräte nicht von einem Menschen getragen werden. Es könne folglich zu gravierenden gesundheitlichen (Fehl-)Entscheidungen und Entwicklungen führen, wenn sich Menschen mit Diabetes auf diese „Messwerte“ verlassen.

„Nach Herstellerangaben sind die gestetesten Smartwatches keine Medizinprodukte und es wird darauf hingewiesen, dass die Messergebnisse nicht für medizinische Zwecke verwendet werden dürfen. Aktuell sind solche oder ähnliche Geräte keine Alternative zu etablierten Glukosemessmethoden und Patienten und sie sollten nicht zur Diabetestherapie genutzt werden“, betont Eichenlaub daher.

Die Produktversprechen klingen also nur verlockend, dem Realitätscheck halten sie nicht stand. Wer seinen Glukosewert auf seiner Smartwatch beobachten will, braucht damit aktuell (noch) einen CGM-Sensor sowie kompatible Endgeräte und/oder Apps für das Smartphone bzw. passende Datenfelder auf der Smartwatch. Die beiden vom IfDT getesteten Smartwatches gibt es auf Amazon inzwischen übrigens auch nicht mehr …
 

Quellen: Institut für Diabetes-Technologie (IfDT)/Poster-Session DDG-Kongress 2024


Text: Susanne Löw